| | «EINBILDUNG» | | EARTHVIEW - Einbildungen einer Erde | |
Um Überblick zu verschaffen, schauen wir aus der Distanz. Der Blick aus der Ferne ermöglicht uns scheinbar, eine neutrale, umfassende Haltung einzunehmen. Luftbilder bieten diesen Überblick. Sie überblicken ein weites Gebiet und suggerieren dem Betrachtenden das Wissen um das Aussehen der Erdoberfläche. Die Schönheit und Unnahbarkeit der Bilder lässt uns ganz vergessen, dass wir ihre «Behauptungen» nicht einfach hinnehmen sollten.
Google Earth hat unseren Umgang mit Luftbildern grundsätzlich verändert. Eine unendliche Bilderflut fördert unser schnelles Sehen und das scheinbare Verstehen der gelieferten Inhalte. Dabei werden wir unablässig mit einer Flut von Luftbildern konfrontiert, deren Wahrheitsgehalt für den Betrachter nur schwer oder gar nicht überprüfbar ist. Als Gegengewicht gegen so viel unkontrolliertes Wissen, ist in einem halben Jahrhundert eine Flut von Behauptungen entstanden, die der Mensch einfach hinnehmen muss, ohne dass ihr Wahrheitsgehalt bewiesen wurde. Die Objektivität der Luftbilder scheint für viele Menschen technisch verbürgt zu sein, weil sie aus dem Bereich der Wissenschaft stammen. Da sich der Mensch grundsätzlich nicht selber ein Bild aus der privilegierten Übersicht machen kann, hinterfragt er die Luftbilder kaum kritisch. Er nimmt die neue Perspektive dankend als Wahrnehmungserweiterung an, obwohl diese «Wirklichkeit» ausschliesslich zum Zeitpunkt der Bildaufnahme bestand.
Die Mehrzahl der Informationen aus der Umwelt erhalten wir durch unsere Augen. «Ich glaube nur, was ich mit eigenen Augen sehe» ist ein weit verbreiteter Ausspruch mit der Bedeutung, dass unser Glaube an das unversehrte Bild nicht mit dem Fortschritt mitgehalten hat. Von frühster Kindheit an lernt der Betrachtende, sich auf seine Augen zu verlassen. Er lernt die optischen Reize zu verarbeiten und zu interpretieren. Von dieser Erfahrung machen wir – im Allgemeinen unbewusst – Gebrauch, wenn wir nicht die Welt als solche, sondern Abbilder von ihr betrachten. Durch die Gewohnheit des Sehens wird der Blick jedoch zunehmend beiläufig und oberflächlich.
Dank des Internets und den frei verfügbaren Kartenprogrammen haben heute viele Menschen zu jeder Zeit Zugriff auf eine unermessliche Fülle von Karten und Luftbildern. Dabei ertrinkt der Benutzer in einer Flut von «Behauptungen», mit denen er sich sein eigenes Bild von der Welt zusammen bauen kann. Nur ein Mausklick entfernt kann er frei entscheiden, welchen Ort er in welchem Massstab betrachten möchte. Über die ganze Erde verbreitet, suggeriert Google Earth seinen Betrachtern eine präzise Wiedergabe ihrer Welt. Der virtuelle Globus nimmt dabei den Platz einer exakten Repräsentation der Erde ein. Diese Repräsentation ist einer konstanten Wandlung unterworfen.
«Es gibt nichts, was es nicht gibt.» Getreu diesem Motto findet eine grosse Zahl von Internetnutzern via Google Earth immer neue, interessante «Botschaften» und Interventionen, die von Menschen in unsere Umwelt platziert wurden. Kaum ein Fleck auf dem Google Earth-Globus bleibt unentdeckt. In den einschlägigen Google Earth-Foren und -Blogs bietet sich dem Betrachtenden eine unermessliche Fülle an skur-rilen, seltsamen oder beeindruckenden Bildaufnahmen.
Die vorliegende Arbeit suchte nach diesen «Botschaften» und dokumentiert in verschiedenen Bereichen exemplarische Interventionen in unserer Umwelt. Die Arbeit veranschaulicht, dass Bilder von Google Earth nicht weiter unreflektiert konsumiert werden können. Es ist zu einfach, sie zu manipulieren und damit eine Faktizität zu erzeugen, die so nicht gegeben ist. Mit den visuellen Möglichkeiten der Gestaltung und der Bildbearbeitung geht diese Arbeit auf eine Gratwanderung zwischen Inszenierung und Authentizität und lotet dabei die Grenze der Glaubwürdigkeit aus.
Demokratisierung und Demagogie liegen in Google Earth sehr nahe beisammen und es drängen sich folgende Fragen auf:
Ist das abgebildete Kartenmaterial echt?
Handelt es sich um ein manipuliertes Bild?
Wie viel Intervention und Werbung erträgt das Oberflächenbild der Erde?
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